Vom Schatten ins Licht
30.10.2019

Vom Schatten ins Licht NAT-Tagung befragt Experten aus Wissenschaft und Wirtschaft

Schätzfragen beleben bekanntlich das Gespräch und daher hat Mathias Fischer dreierlei mitgebracht. Erstens: Wie viele Zeilen programmierter Code stecken wohl in einem Android-Handy? „Inklusive Apps“, fragt einer der Gäste. „Sagen wir erst mal nur das Android-System selbst“, präzisiert Fischer und blickt erwartungsvoll in die Runde. „80.000“, so eine erste Schätzung. Fischer hält sein Handy in die Höhe: „Es sind, um das mal aufzulösen, ungefähr 30 Millionen.“ Zweitens und zum Vergleich: Wie viele Zeilen hat dagegen ein Space Shuttle gehabt? „300.000“, vermutet Britta Meyer. Die Informatiklehrerin vom Charlotte-Paulsen-Gymnasium hat einfach mal so geschätzt – und einen Volltreffer gelandet. Aber Fischer hat noch ein Ass im Ärmel. Drittens: Wie viel Zeilen Quellcode hat denn so eine aktuelle Mercedes E-Klasse?

Hacken wie in Hollywood

Aber da hat der junge Informatikprofessor nicht damit gerechnet, dass Sabine Fernau seine Runde besucht. Die NAT-Geschäftsführerin ist Fahrerin eines Mercedes Elektroautos und gut im Schätzen: „100 Millionen“, so Fernau. Genau sind es 99 Millionen und das zeige, in welche Richtung sich IT-Systeme entwickeln. „Sie werden immer komplexer“, sagt Fischer. An der Universität Hamburg beschäftigt sich der Informatiker mit IT und Netzwerksicherheit. An diesem Nachmittag ist er ins Körber-Forum gekommen, um Lehrer über datenschutzfreundliche Lösungen zu informieren. Oder einfacher formuliert: Um aus guten Schätzern auch gute Schützer zu machen. „Allein im letzten Jahr waren 300 Millionen unterschiedliche Arten von Schadsoftware im Umlauf“, schiebt Fischer noch eine Zahl hinterher – und in der Regel werde der Schaden erst Monate später bemerkt: „Es fehlt an Bewusstsein und technischer Expertise.“   

Fortbewegen wie im Taxi

20 Minuten Zeit, um sich mit dem Informatiker auszutauschen, dann ertönt ein Gong und die Tagungsteilnehmer wenden sich anderen Experten zu. Etwa Sascha Meyer, technischer Leiter beim Mobilitätsdienstleister Moia. Digital vernetzt sind die Kleinbusse aus dem VW-Konzern allemal, um Kunden möglichst schnell und preiswert ans Ziel zu bringen: „Wir haben in den Fahrzeugen Telematikboxen, die uns die Position und die Fahrgeschwindigkeit übermitteln – aber keinen festen Fahrplan“, sagt Meyer. Die Herausforderung für den Algorithmus ist dann, alle möglichen Kombinationen an Wegstrecken und Haltepunkten zu berechnen und mit potenziellen Mitfahrern, ihren Zielen und der Verkehrssituation abzugleichen. „Das sind aber nur die rationalen Parameter“, so Meyer. Auch psychologische Aspekte müssten berücksichtigt werden: So würden gewisse Umwege zwar in Kauf genommen, allerdings nicht kurz vorm Ziel.    

Coden wie ein Profi

Ein kompliziertes Unterfangen, das merken die Lehrer, für das man nicht nur clevere Software, sondern auch schlaue Kundenkommunikation benötigt. Das gilt übrigens auch für das Startup Viper Development, kurz ViperDev: Software-Entwickler aus Indien, Indonesien oder Frankreich, zwischen 28 und 18 Jahre jung, schreiben den Code, etwa im Auftrag von anderen Start-ups oder mittelständischen Unternehmen. Während Wirtschaftspsychologin Jonna Ritscher die Kommunikation übernimmt – intern, mit Bewerbern oder NAT-Lehrern. Für sie beziehungsweise ihre Schüler hat das junge ViperDev-Team auch gleich eine Projektidee entwickelt: Nach einem gemeinsamen Workshop dürfen Schüler an einem realen Projekt mitarbeiten und sich dafür mit erfahrenen Programmieren, den Mentees, auf einer Plattform austauschen. Die ist natürlich Open Source und der Name Programm: „Padavan“! (Für alle Star Wars-Verächter: In der Welt der Jedi-Ritter ist das so etwas wie ein Lehrling, ein „Grüner Junge“.)

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