
Exkursion in die Quanten-ÄraLehrkräfte blicken in Hamburgs ersten Quantencomputer
Ionen sind winzig, unsichtbar für das menschliche Auge. Umso mächtiger sind die Instrumente, um die geladenen Atome einzufangen: Im ersten Labor nehmen Ports, Leuchtanzeigen, Kabeln in roten und blauen Gestellen eine ganze Wand in Beschlag. „Rot sind die Laserracks, blau ihre Stabilisatoren“, sagt Kai-Niklas Schymik. Der Experimentalphysiker arbeitet für das Start-up Universal Quantum, das Teil der DLR Quantencomputing-Initiative (DLR QCI) ist. An einem heißen Julitag gewährt sie Lehrkräften in kühlen Laboren Einblicke in eine neue Ära – und die dafür benötigte Hardware. „Und wo ist jetzt das Ion drin?“, fragt Mathias Burghardt am roten Rack. Der Physiklehrer unterrichtet in Istanbul, wo die Sommerferien schon gestartet sind. Genug freie Zeit, um sich in Sachen Quantencomputer weiterzubilden. „Ein Teil unserer Schülerschaft ist da sehr interessiert und viel tiefer in der Materie als ich“, gesteht er.
Das Qubit flippen
Vermutlich würden diese interessierten Jugendlichen auch einen Ferientag dafür geben, einen Blick auf Quanten-Hardware werfen zu dürfen. Möglich wird er, weil sich die Technologie noch im Aufbau befindet. „Das ist nur die Infrastruktur“, beantwortet Kai die Frage nach dem Ion und führt die Gruppe ein Labor weiter. Im Zentrum eine Vakuumkammer aus Edelstahl, schön vom Deckenlicht ausgeleuchtet, mit einer kreisrunden Öffnung zu einer Seite, darin ein Mikrochip. Später sollen viele und noch kleinere Chips mit ihren elektrischen Feldern Ionen in Schach halten, die Laser vorher eingefangen haben und die Mikrowellen anschließend dazu anregen, die Energiezustände zu wechseln. „Das ist ein wenig wie bei der Photosynthese, Moleküle absorbieren das Licht und werden in höhere Energiezustände angeregt, die man codieren kann“, erklärt Kai.
Die Schulphysik in die Wirklichkeit beamen
Vor einem Jahr ist schon mal eine Delegation von Lehrkräften der NAT-Einladung ins Innovationszentrum Hamburg der DLR QCI gefolgt. Damals wurden noch die Decken in den Laboren eingehängt, ein Jahr später kann sich Jörg Milde an den Apparaturen nicht sattsehen: „Da schlägt mein Physikerherz“, sagt er. Der MINT-Lehrer vom Gymnasium Eilbektal würde auch sehr gern mit seinem Physikprofil ein drittes Mal kommen, solange der Aufbau noch nicht magnetisch abgeschirmt wird. „Wenn wir das jetzt nicht zeigen, wann dann“, betont er. „das ist Physik in der Wirklichkeit.“ Und auch Chemie, findet Marion Koschorrek-Clausen. Die Chemielehrerin will ihren Walddörfer Stadtteilschülern von der Nützlichkeit der Ionen aus Barium oder Ytterbium-Metallen berichten: „Damit es nicht immer nur so abstrakt ist“, sagt sie. Auch für die Informatik sei das ein Thema oder ihr Wirtschafts-Chemieprofil. Schließlich ist der Prototyp kein Selbstzweck, er soll skalierbar gemacht und dann in die Anwendung gebracht werden.
Ein Blick in die Zukunft
Mögliche Anwendungsfelder von der Softwareentwicklung bis zur Logistikrevolution hat der erste Teil der Veranstaltung aufgezeigt. Doch bis der Universal Quantum-Prototyp nicht nur hundert, sondern die gewünschte Million Qubits einfangen kann, braucht es mindestens zehn Jahre – und jede Menge Forschungsgelder, die das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt DLR als für die DLR QCI vom Bund zur Verfügung bekommen hat. „Im europäischen Vergleich sind wir mit unserer Forschung schon stark dabei“, sagt DLR QCI-Vernetzer Philipp Ranitzsch. Das hat mit den vielen gutausgebildeten Elektroingenieuren, Physikern und Softwareentwickeln und zahlreichen Kooperationspartnern zu tun, die in der Initiative Hand in Hand arbeiten. Verstärkung bekommen sie hoffentlich bald vom engagierten Nachwuchs aus Hamburg und vielleicht auch aus Istanbul. „Ich hatte überhaupt keine Idee, wie so ein Quantencomputer aussieht“, so Mathias Burghardt abschließend. „Ich fand das total cool.“