Kleben heißt Geduld haben. Mariam hat für ihren Gleitflieger schon Rumpfmittelstück, Stab und Seitenleitwerk verklebt und bei Imprägnierung, Trocknung und Anschliff ganz viel Geduld bewiesen. Aber nun, am letzten Tag ihres Praktikums bei Lufthansa Technik ist Turbo angesagt, soll der Modellflieger mit einer Bauanleitung in 31 Schritten noch fertig werden. „Ich habe die ganze Zeit versucht, mich zu beeilen, aber wir haben viel angeschaut, da bleibt nicht so viel Zeit zum Bauen“, sagt die Lise-Meitner-Gymnasiastin. Von ihrer Schule ist sie die Einzige, die das mint:pink Programm mit einer Praktikumswoche in den Herbstferien abschließt. Allein geblieben ist sie dennoch nicht: „Ich finde es richtig cool, dass wir uns alle gegenseitig helfen und austauschen“, betont die 15-Jährige. Gleichgesinnte aus anderen Schulen kennenlernen, selbst Hand anlegen, die Lufthansa-Basis und Technik erleben, das macht das Praktikum besonders. „Wir bekommen Einblicke, die der Schulalltag nicht bieten kann“, lobt Mariam.
Erfahrungen weitergeben
Die Bauphasen am eigenen Flugzeugmodell rundet ein Programm aus Führungen, Hallenbesichtigungen und Gesprächsrunden ab. Aber auch flexibel auf die Interessen der Schülerinnen einzugehen ist Ausbilder Kay Thießen wichtig, der die Gruppe mit viel Leidenschaft in dieser Woche betreut. Kurzerhand wurde der Rundgang um den Besuch einer Super Star, genauer einer Lockheed L1649 erweitert. Bis zum hundertsten Lufthansa-Jubiläum 2026 soll der 1956 erbaute Oldtimer wieder flott gemacht werden. Nicht zum Abheben, aber als Ausstellungsstück. „Den Propellerflieger zu sehen war den Mädchen ganz wichtig“, erklärt Kay und ergänzt begeistert: „Diese Truppe ist sehr interessiert und stellt viele Fragen.“ Normalerweise unterrichtet er angehende Fluggerätelektroniker und Elektroniker für Geräte und Systeme bei der Lufthansa Technical Training (LTT) – im aktuellen Ausbildungslehrjahr eine reine Jungsgruppe. Noch ein weiterer Grund für den Ausbilder die zwölf Schülerinnen im Praktikum zu begleiten.
Neues erleben
Unterstützung bekommt er von den drei angehenden Fluggerätmechanikerinnen Muna, Lena und Emmi. Diese haben schon an der Super Star mitgewirkt und davon erzählt. Das wollten sich die Mädchen nicht entgehen lassen. „Es war sehr spannend, da reinzuschauen“, erzählt Anna. „Wir haben die Original-Instrumente gesehen und auch eine Kaffeemaschine von 1956, die ich nicht als Kaffeemaschine erkannt hätte.“ Einmalige Einblicke, aus Sicht der Sophie-Barat-Schülerin, die sie nicht missen möchte. „Naturwissenschaften und Mathe sind meins – und Fliegen hat viel damit zu tun“, daher habe sie das Praktikum angesprochen. Ihrer Mitschülerin Charlotte hat es die Triebwerkstechnik angetan: „Mechanik generell interessiert mich“, so die 16-Jährige. Auf der Führung durch die Hallen kam in der Demontage noch Teamgeist, eine „ganz besondere Stimmung“ hinzu. Am liebsten hätte Charlotte das Praktikum dort direkt verlängert. „Aber nächste Woche geht nicht“, sagt sie. Die Elftklässlerin hofft nun auf einen Platz im kommenden Jahr – und damit auf mehr Orientierung vor dem Abi.
Chancen nutzen
Annabell, ebenfalls elfte Klasse, allerdings am Matthias-Claudius-Gymnasium ist schon weiter: Sie will Theoretische oder Experimental-Physik studieren – das habe auch mit ihrer Teilnahme bei mint:pink zu tun. „Da habe ich Einblicke bekommen in wissenschaftliche Berufe“, sagt sie. Die Chance auf ein Praktikum in der Luftfahrt hat die 16-Jährige gern wahrgenommen: „Lufthansa Technik ist cool und bietet viele Karrieremöglichkeiten. Das ist riesig hier, abwechslungsreich und zugleich familiär.“ Annabell hat das Praktikum schon weiterempfohlen, auch wenn die Holzklebearbeiten nicht so ihr Fall gewesen seien. Kopf und Handwerk zusammenbringen, das hat dagegen Mitschülerin Laila am Modellbau gefallen. „Man lernt hier, eigenständig zu arbeiten und anders zu denken“, sagt die Zehntklässlerin und blickt mit Begeisterung von oben in die große Halle der Werkstatt, in der die Auszubildenden an Tischen und Maschinen werkeln. Beim eigenen Gleitflieger muss sich Laila nun eine Lösung einfallen lassen, die von der Anleitung abweicht. „Ich muss Zeit sparen, sonst wird er nicht fertig“, sagt sie. Neben ihr greift Mariam zum Fön, um die Trocknung des Kleisters zu beschleunigen. „Der Endspurt ist etwas stressig“, verrät sie. Doch Kay kann alle beruhigen und will die Werkstatt am Nachmittag erneut aufschließen: „Wenn es noch Interesse gibt, weiterzumachen, dann machen wir weiter“, sagt er. So wie er selbst vor fast 40 Jahren. Durch ein LHT-Praktikum hat er zur Elektrotechnik gefunden: „Das war supercool.“