Mädchen gegen Maschine
20.09.2021

Mädchen gegen Maschinemint:pink Schülerinnen treten gegen KI an

Zwei Mädchenteams aus dem mint:pink-Programm der Initiative Naturwissenschaft & Technik (NAT) treten gegen eine Künstliche Intelligenz (KI) des Physik-Schullabors „Light & Schools“ der Universität Hamburg an. Es ist ein Spiel mit ungleichen Karten: Auf der einen Seite zwei Mädchenteams, die aus dem Klassenraum am Marion-Dönhoff-Gymnasium (MDG) beziehungsweise der Bibliothek des Gymnasiums Lohbrügge (Gyloh) unterschiedliche Töne aufgenommen, an eine Webseite hochgeladen haben. Nun sollen sie gegenseitig raten, um was für ein Geräusch es sich jeweils handelt. Ergibt zigtausende Möglichkeiten im Kontext Schule. Auf der anderen Seite ein junges neuronales Netz, das gerade erst gelernt hat, Signale nach ihrem Frequenzspektrum zu unterscheiden und mit den Dateien der Mädchen gespeist wurde. Ergibt neun Dateien, die per Multiple-Choice-Verfahren zugeordnet werden müssen. „Eijeijei, das wird schwierig“, sagt der Koordinator des Physik-Schullabors „Light & Schools“ Jonas Siegl und zeigt auf eine grüne Diagonale. Darüber eine Zahl: „Die Treffergenauigkeit liegt bei 97,9 Prozent.“ Anders gesagt, die Mädchen treten an gegen eine Maschine im Siegeswahn.

Horrend verloren und haushoch profitiert

Dabei läuft es anfangs noch erstaunlich gut: Mit den Fingernägeln auf den Laptop klopfen, und nicht auf die Tastatur – das erraten die Gyloh-Schülerinnen hundertprozentig und ganz ohne Multiple Choice. Dafür müssen sie beim „Papiertüte-Knistern“ passen, die Maschine allerdings auch. Aber das bleibt die einzige Unsicherheit der KI in diesem ungleichen Match. Am Ende müssen sich die Mädchen mit 5:8 geschlagen geben und haben doch gewonnen, denn sie verstehen jetzt, wie verbreitet KI in unserem Alltag ist. Außerdem haben sie eine erste Vorstellung, wie ein neuronales Netz aufgebaut ist und wie es trainiert wird. Aber was hat das mit Physik zu tun? „Es wurde gerade eine neue Professur in der Teilchenphysik und Astronomie mit Schwerpunkt Machine Learning besetzt. Auch in unserer Forschungsgruppe hilft uns eine KI bei der Auswertung von quantenmechanischen Experimenten. In unserer Lebenswelt ist das also ein wichtiges Thema“, sagt Jonas Siegl. Der promovierte Physiker koordiniert gemeinsam mit Bastian Besner das Schullabor „Light & Schools“ der Universität Hamburg, welches von Professor Klaus Sengstock geleitet wird.

Hast du Töne

Der außerschulische Lernort lebt von der Nähe zu echten Forschungslaboren. „Wir mussten uns neu erfinden“, sagt Siegl im Hinblick auf das erste Pandemiejahr. Physik-Expertise online zur Verfügung stellen, das geht besonders gut bei Angeboten, in denen man den Rechner sowieso schon vor der Nase hat. Also kürzten die Physiker ihren fünfstündigen Präsenzworkshop, der ein neuronales Netzwerk von der Pike auf programmiert und trainiert, auf das Format eines mint:pink online-Programmtages von drei Stunden: „Ein Machine Learning Feuerwerk aus den besten Teilen“, nennt es Siegl. Es hat schon 40 Mädchen aus fünf Schulen erreicht, begeistert – und auch die Veranstalter beglückt, weil die Mädchen kreativ mitgewirkt haben. „Ich dachte beim vierten Mal mache ich das einfach zum vierten Mal – ja, Pustekuchen“, sagt der Koordinator. Nicht nur die Töne, auch die Herausforderungen und Lösungen seien immer wieder neu gewesen.

Heimathafen NAT

„Ich fand es besonders cool, wie viele Fragen die Schülerinnen gestellt haben“, sagt Joshua Roschlaub, einer der Tutoren im Schullabor. Darunter kritische Fragen zu einer KI, die menschliche Portraits imitiert. Auch Aline Bär, die neue Projektkoordinatorin bei NAT ist, begleitet den Online-Programmtag. „Die konzentrierte Arbeitsatmosphäre, die Kreativität bei der Ton-Auswahl und die vielen guten Fragen der Mädchen haben mich begeistert.“ Die 32-Jährige verstärkt seit Mitte Mai das NAT-Team. „Dank Jonas Siegl und den Tutorinnen und Tutoren des Schullabors habe ich jetzt einen viel besseren Einblick in die Physik und maschinelles Lernen bekommen.“ So ging es bestimmt nicht nur Aline Bär, sondern auch den 40 Mädchen, die trotz Distanz aktiv dabei waren.

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