Eine perfekte Verbindung
12.04.2023

Eine perfekte VerbindungHeinrich-Hertz-Schüler erkunden das Kraftwerk Tiefstack

Der Rahmen steht, „nun ist Freestyle dran“, beschließt Hugo. Der 14-Jährige hat vier gleich lange Kupferdrähte jeweils an den Enden zu einem Quadrat verlötet. Vier weitere Drähte liegen an seinem Arbeitsplatz, die Bausteine für ein Gitternetz, aber der Neuntklässler hat mehr Lust auf eine Eigenkreation. Er formt einen Draht zu einem Halbkreis, legt ihn in den Quadratrahmen und verzinnt die Enden mit dem Lötkolben. „Eine perfekte Verbindung“, sagt der Heinrich-Hertz-Schüler zufrieden, als er das Produkt prüft und es Josef entgegenhält. Der angehende Mechatroniker bei den Hamburger Energiewerken ist gerade im Kraftwerk Tiefstack tätig. In der Ausbildungswerkstatt bringt der 23-Jährige normalerweise beschädigte Bauteile wieder auf Vordermann, an diesem Nachmittag clean:tech-Interessierten das Löten bei.

Power-to-Heat 

Das NAT-Programm steht für saubere Technologien in Industrie und Handwerk sowie Berufe, die damit verbunden sind – und hat auf den ersten Blick in einem Kohlekraftwerk nichts zu suchen: Die Hände der Jugendlichen sind rabenschwarz, als sie bei der Führung durchs Kraftwerk der Aufforderung „please touch“ am Sicherheitsgeländer nachkommen, ihre Schutzschuhe vibrieren auf dem Boden vor dem Generator im Maschinenhaus und in 56 Metern Höhe steigt ihnen nicht nur die Aussicht über die Billwerder Bucht, sondern auch die Hitze zu Kopfe. Groß der Kontrast in der angrenzenden Gas- und Dampfturbinenanlage, wo im Power-to-Heat-Verfahren aus grünem Strom Wärme erzeugt wird. Nicht nur wesentlich sauberer die Anlage selbst, sondern auch die produzierte Energie die daraus resultiert. Eine der grünen Technologien die Kohle bis 2030 ersetzen sollen.  „Ich nehme mit, dass in den Kraftwerken schon umgestellt wird auf wiederverwendbare Energien, ich dachte, das sei noch Theorie und reine Politik“, sagt Lukas. 

Frauenpower 

Der 15-Jährige hat viele Fragen gestellt, mit großer Freude auch über das digitale Gruppenführungssystem, das die Kraftwerksgeräusche übertönt. „Das Mikro fand ich richtig cool“, sagt auch Seleyna. Eine Technik, die zum positiven Gesamtbild beigetragen hat, wie die Schülerin in der Abschlussrunde deutlich macht: „Ich fand es toll zu lernen, wie ein Kraftwerk innen aussieht und wie heiß es darin ist. Aber auch, dass wir selbst etwas bauen konnten.“ Vor allem hat Seleyna ein großes Vorbild bei der Exkursion gefunden: Nele. Die Elektronikerin für Betriebstechnik sitzt schon bei der Begrüßung und Präsentation durch Ausbildungskoordinatorin Katja Spehling zwischen ihren männlichen Kollegen und beantwortet die vielen Fragen zur Ausbildung und der technischen Funktionsweise eines Kraftwerks – auch von Katja Spehling selbst.   

Power-to-Hertz 

„Ich habe einen kaufmännischen Hintergrund“, erklärt die Koordinatorin, „aber Technik fasziniert mich.“ Das gilt auch für Nele, die nach ihrem Fachabi in Wirtschaft nicht so richtig wusste, was sie machen sollte. Elektronik fand sie schon immer spannend. „Ich dachte, ich versuch das mal“, sagt sie. Das hat geklappt, die 24-Jährige ist jetzt in Tiefstack beschäftigt und beginnt demnächst eine zusätzliche Ausbildung zur Kraftwerkerin. Wie viel Spaß es macht dazuzulernen, das ist auch eine Erkenntnis, die die Jugendlichen nach dieser Exkursion unterschreiben können, die aus dem Schwärmen nicht mehr herauskommen. Den ganzen Tag haben sich die Azubis für sie Zeit genommen und unterstützen gern. Beim Löten braucht Fabian kaum Hilfe, er hat zuhause eine Werkstatt. Aber dafür hat der Heinrich-Hertz-Schüler in Josef ein berufliches Vorbild gefunden: „Ich will Mechatroniker werden“, sagt er. 

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