Es ist so weit und Bob am Start. „Wir brauchen vielleicht zwei Versuche“, sagt Merle, „Bob ist sehr eigenwillig.“ In der Tat: Der Kugel-Roboter mit lilafarbener LED kürzt die Rennbahn selbstherrlich ab, lässt die engen Spitzkurven einfach links liegen und rollt direkt zur High-Speed-Geraden weiter. „Wo ist denn das Anfangsstück geblieben, Merle?“, fragt Lilly und schaut entsetzt aufs Tablet. Darauf haben die Mädchen mit vielen bunten Befehlsblöcken in Folge programmiert, in welche Richtung Bob wie lange und mit welcher Geschwindigkeit rollen soll. Aber auch wenn „Low Coding“ das Zauberwort hinter dem Roboterball ist, das leicht und schnell an die Programmiersprache JavaScript heranführen soll, verschwindet doch kein Code wie von Zauberhand: „Ist alles noch da, er hat es einfach nicht gemacht“, beruhigt Merle die Freundin.
Die Kurve kriegen
Die beiden Zehntklässlerinnen haben an diesem Vormittag das Gymnasium Lohbrügge gegen das Ausbildungszentrum von Siemens in Rothenburgsort getauscht. Das Unternehmen, das vor 175 Jahren die Elektrifizierung der Gesellschaft vorangetrieben hat, digitalisiert heute die Industrie, betont Technikleiter Christoph Luderer in seinem Eröffnungsvortrag. Und weil das viel mit MINT zu tun hat und „schlaue Köpfe“ sowieso immer gefragt sind, ist Siemens neu beim Mädchen-Mutmach-Programm „mint:pink“ dabei. Luderer hat einen Koffer voller intelligenter Bälle mitgebracht, die der Ausbilder „Hubert“ nennt. Die Challenge für diesen Programmtag lautet daher: „Denken wie ein Hubert!“ Die Schülerinnen müssen dem Chip, Stabilisator und digitalem Kompass im Kern der Kugel genau sagen, was zu tun ist, um die kurvenreiche Rennstrecke auf dem Boden des Seminarraumes erfolgreich und möglichst schnell zu bewerkstelligen.
Am Ball bleiben
Hubert, Bob – oder warum nicht Elin? So heißt die 23-jährige Dualstudentin, die bereits eine Ausbildung zur Elektrotechnikerin bei Siemens abgeschlossenen hat und nun den Bachelor an der HAW anstrebt. „Ich habe voll Bock aufs Programmieren“, verrät Elin und codiert einer Kugel den Schriftzug „mintpink“ auf die LED. Dass der magische Ball mehr kann als nur rollen, haben auch die Mädchen längst erkannt. „Ich bin’s Bob“, tönt es mundartlich am Start. Neben solchen benutzerdefinierten Animationen sind vor allem Logik und Raum-Zeit-Kombinationen gefragt. „Lieber länger langsam als zu schnell zu kurz“, rät Luderer und ermuntert die Mädchen zu mehr Kooperation. „Aus kleinen Teams wieder große zu bilden, das haben wir alle zu wenig drauf“, sagt der Elektrotechniker. Dabei erlaubt eine Infrarot-Sensorik den „Sphero Bolts“, so der offizielle Herstellername, auch zu interagieren.
Eine ruhige Bolt schieben
Doch für so viel KI war die Zeit zu knapp. Bob steht allein am Start und dieses Mal hat Lilly seine Position seitlich versetzt: Unter großem Gelächter der Mädchen kickt er einen Mitbewerber aus der Bahn, schneidet ein wenig ab („er baut Scheiße“, flüstert Lilly) und schiebt sich dann auf dem großen Kreisbogen ganz nach vorne. Noch eine Handbreit weiter als Alexas Kugel, die aber dafür besser gespurt hat. Applaus! Luderer will von seinem Credo, „es kann nur einen Gewinner geben“, nun doch abweichen. Auch die Mädchen haben gelernt. „Ich muss sagen, es hat wirklich Spaß gemacht“, sagt Alexa. Ihr Lieblingsfach ist Geschichte, Informatik kann sie wenig abgewinnen – bisher. Ihr Tipp: „Ich habe mit einer konstanten Geschwindigkeit gearbeitet und dann nur die Zeit und den Winkel angepasst.“ Bleibt noch Bobs letztes Signal: ein blinkendes LED-Herz!