Kurzinterview Dr. Tim Eckhardt
22.12.2021

Kurzinterview Dr. Tim Eckhardt Biogeochemiker vom Centrum für Erdsystemforschung und Nachhaltigkeit (CEN)

In seinem Vortrag sprach Dr. Tim Eckhardt vom Centrum für Erdsystemforschung und Nachhaltigkeit (CEN) der Universität Hamburg über die Auswirkungen der Erderwärmung auf die sibirischen Permafrostböden. Er arbeitet als Postdoc am Institut für Bodenkunde der Universität Hamburg. In seiner Forschung befasst er sich mit der Dynamik von Treibhausgasen in permafrost-beeinflussten Böden der sibirischen Arktis. In einem anschließenden Kurzinterview beantwortet er weitere Fragen der Schülerinnen und Schüler.

NAT: Herr Dr. Eckhardt, welche Rolle spielt die Freisetzung von Methanhydrat in arktischen Regionen für den Klimawandel?

Dr. Eckhardt: Die Freisetzung von Methan aus Methanhydraten im permafrost-beeinflussten Ozean (z.B. Arktischer Ozean) ist Gegenstand aktueller Forschung. Bisher wurde die Bedeutung der Freisetzung von Methan aus Gashydraten als sehr gering eingeschätzt. Vergleicht man die Methan-Freisetzung aus der Landwirtschaft und Feuchtgebieten mit der Freisetzung aus Methanhydraten, so beträgt der Anteil weniger als 3%. Allerdings sind besonders die Methanhydrat-Vorkommen im Arktischen Ozean in Kontinentalnähe relevant für das Klima. Denn aufgrund der geringen Tiefe der Vorkommen (Methanhydrate kommen dort in geringerer Tiefe vor, da die Sedimente permafrost-beeinflusst sind), kann Methan leichter und schneller freigesetzt werden. Ein erster Hinweis, dass dies geschieht und das mit zunehmender Menge, wurde erst kürzlich veröffentlicht.

NAT: Was unterscheidet die sibirischen Permafrostböden von denen in anderen arktischen Regionen?

Dr. Eckhardt: Ein grundsätzlicher Unterschied ist die Tiefe des Permafrosts. Während der letzten Eiszeit lag, im Gegensatz zu anderen heutigen permafrost-beeinflussten Regionen, kein massiver Gletscher auf dem sibirischen Kontinent. Das führte dazu, dass die niedrigen Temperaturen auf der Erdoberfläche sehr viel tiefer in die Böden, Sedimente und Gesteine eindringen konnten. Die Permafrosttiefe ist entsprechend sehr viel größer als in anderen Regionen. Daher wird vermutet, dass diese Regionen ein wenig stabiler in Bezug auf sich ändere klimatische Verhältnisse reagieren. Allerdings, und das ist ein zweiter wichtiger Unterschied, sind die sibirischen Permafrostgebiete noch ziemlich unzureichend erforscht. Im Vergleich zu den Regionen in Alaska, Kanada und auf Grönland ist die Anzahl an Forschungsarbeiten im sibirischen Permafrost eher gering. Das ist schon bemerkenswert, da der sibirische Permafrost gut zwei Drittel des gesamten Permafrosts in der nördlichen Hemisphäre ausmacht.

NAT: Inwiefern könnte man die Speicherkapazität des Permafrostes künstlich nachbauen?

Dr. Eckhardt: Das ist eine sehr spannende Frage, die auch einige Forscher*innen beschäftigt. Eine aktive Speicherung, also quasi eine Art Nachbau von Permafrost-Bedingungen ist aus energetischer Sicht aber nicht empfehlenswert, da für die notwendige Kühlung großer Bodenmassen enorm viel Energie benötigt wird.

Ein weiterer Faktor, der zur Speicherung von Kohlenstoff in Permafrostregionen beiträgt, ist der hohe Wassergehalt in den Böden. Dieser sorgt neben der niedrigen Temperatur dafür, dass organisches Material schlechter abgebaut wird und entsprechend kein Kohlenstoff freigesetzt, sondern gespeichert wird. Diese Art des Nachbaus wird auch in Deutschland gemacht: Moore, die früher entwässert wurden, um den dort vorhandenen Torf abzubauen und z.B. als Energiequelle genutzt wurde, werden heutzutage häufig renaturiert. Die nach der Entwässerung trockenen Bedingungen sorgen nun für eine stark erhöhte Freisetzung von CO2. Bei Renaturierungsmaßnahmen werden die Moore teilweise wieder vernässt. Hierbei soll u.a. erreicht werden, dass die Moore wieder mehr Kohlenstoff aus der Atmosphäre aufnehmen, als sie freisetzen. Diese Wiedervernässung ist aber nicht einfach, da beim Wachstum bestimmter Pflanzen enorm viel Methan freigesetzt werden kann. Somit besteht die Gefahr, dass wiedervernässte Moore, die eigentlich zum Klimaschutz beitragen sollen, eine große Quelle für Treibhausgase darstellen.

Zurück zum Permafrost: Vielversprechender als der Versuch Permafrostbedingungen zu simulieren, ist der Versuch das Auftauen des Permafrosts zu verlangsamen. Ein durchaus interessanter Ansatz ist hierbei der sogenannte „Pleistozän-Park“. Bei diesem Projekt in Nordostsibirien wird untersucht, wie sich das Auftauen des Permafrosts verringert, wenn eine große Anzahl an Tieren im Winter darauf unterwegs ist. (Grundsätzlich gilt: je geringer die Schneeschicht, umso besser kühlt der Boden aus – trampelt nun eine Horde von Rentieren auf dem Schnee herum, bleibt die Schneeschicht niedrig). In der Theorie sollen die Tiere dafür sorgen, dass der Permafrost langsamer auftaut und somit auch weniger Treibhausgase freisetzt.

NAT: Bei welcher Temperatur beginnt der Permafrost den gespeicherten Kohlstoff freizusetzen?

Dr. Eckhardt: Es gibt tatsächlich keinen Wendepunkt bei dieser Gleichung. Es kann also gar nicht direkt eine Temperatur genannt werden, bei dem Kohlenstoff vermehrt freigesetzt wird. Nachgewiesen ist aber zum Beispiel, dass bestimmte Mikroorganismen auch bei Minusgraden organisches Material zum Treibhausgasen umsetzen können. Grundsätzlich laufen diese Umsetzungsprozesse aber immer schneller ab, je höher die Temperatur ist. Das ist bei chemischen Reaktionen immer der Fall, entsprechend auch im Permafrost. Dieser recht simple Zusammenhang stellt den Kern der Problematik dar: Höhere Temperaturen sorgen für vermehrte Umsetzung von organischem Material zu Treibhausgasen. Und organisches Material gibt es in permafrost-beeinflüssten Böden zu Genüge.

NAT: Welche Pflanzen wachsen in der Tundra (bezogen auf die Auftauschicht) und was können wir von der Tundra lernen?

Dr. Eckhardt: In der Tundra sind die Bedingungen ziemlich harsch. Enorm niedrige Temperaturen im Winter, kurze Auftauperioden im Sommer, schlechte Nährstoffverfügbarkeit – das alles sorgt dafür, dass es sich bei den dort angesiedelten Pflanzen meist um hochspezialisierte Pflanzen, teilweise um sogenannte „Pioniere“ handelt. Die Zusammensetzung ist in etwa mit der in Mooren vergleichbar: Viel Moos, einige wenige Gräser, keine oder nur stark angepasste Baumarten sowie Flechten an trockenen Standorten.

NAT: Wie kann ich mich als Schüler engagieren?

Dr. Eckhardt: Das Thema Permafrost ist in der Öffentlichkeit ziemlich unbeachtet. Dabei ist die Wichtigkeit der Permafrost-Regionen für das Klima in der Wissenschafts-Community unbestritten. Eine große Hilfe ist es daher immer, wenn man dazu beiträgt dieses Forschungsfeld in die Öffentlichkeit zu zerren (z.B. durch ein selbstgewähltes Referat/Projekt).

NAT: Wie haben Sie sich für Ihr Studium entschieden? Waren Geowissenschaften schon immer Ihre Leidenschaft, Lieblingsfächer oder Leistungskurse in der Schule?

Dr. Eckhardt: Ich fürchte meine Karriere ist da nicht das beste Beispiel: Ich habe mich während meiner Schulzeit eher weniger für Naturwissenschaften interessiert und war daher auch nicht die hellste Leuchte auf der Torte in diesen Fächern. Dass aus mir noch ein promovierter Biogeochemiker werden würde, damit hat wohl niemand, auch nicht ich selbst, gerechnet. Was mich in meiner Schulzeit aber schon immer interessiert hat, sind die komplexen Zusammenhänge. Die habe ich aber eher im Geschichts-, als im Chemieunterricht gefunden. Dinge, wie die doch sehr komplexen Wechselwirkungen beim Klimawandel und auch den Permafrostböden waren zu meiner Zeit leider kein Thema in den NAT-Fächern. Ich habe mich dann für die Geowissenschaften entschieden, da ich erst während meines Zivildienstes gemerkt habe, dass es diese komplexen Zusammenhänge eigentlich überall in den Geowissenschaften gibt. Weil die Geowissenschaften eben die Schnittstelle der Naturwissenschaften darstellen.

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